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Die Farben des Herbstes - Was unser Nervensystem von den Jahreszeiten lernt

  • katharina-bergmann
  • 21. Okt.
  • 3 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 29. Okt.

Es ist Herbst. Ich gehe durch den Wald, und überall leuchtet es – gelb, rot, bunt. Blätter segeln, von einem Windstoß getragen, langsam zur Erde und färben sie nach und nach in eine fragile, bunte Schicht aus vergangenem Leben.


Ich denke über die Jahreszeiten nach – und darüber, was uns Menschen ausmacht. Auch wir existieren in einem immerwährenden Kreislauf. Unser Körper ist unser Taktgeber. 24 Stunden, 365 Tage im Jahr – ein Menschenleben – das ist unser Rhythmus.


Wenn wir unseren Körper vernachlässigen, werden wir krank. Unsere Psyche, unsere Seele, die alles zusammenhält, braucht Struktur und Rhythmus – aber wie viel? Und was genau? Wann geraten wir aus dem Gleichgewicht? Kann ein Mensch wirklich 80 Stunden in der Woche arbeiten, während ein anderer schon nach viel weniger Stunden ausbrennt? Wie viel Takt braucht es für ein gesundes Leben?


Biologisch gesehen wird unser innerer Rhythmus durch das autonome Nervensystem gesteuert – das Zusammenspiel von Sympathikus und Parasympathikus. Der eine Zweig versetzt uns in Aktivität, der andere ermöglicht Regeneration und Heilung. In der Balance entsteht Leben. Verlieren wir dieses Gleichgewicht, gerät das System durcheinander – und psychische oder körperliche Symptome können folgen.


Jeder Mensch hat seine eigene Sprache des Körpers: Der eine bekommt Panikattacken, der nächste Herzstolpern, Reflux, chronische Schmerzen, Migräne, Tinnitus oder Reizdarm. Die Wege des Körpers sind vielfältig. Doch meist sind diese Empfindungen Warnsignale, dass Körper und Psyche – die letztlich eins sind – aus dem Takt geraten sind. Oft sind die Symptome mit starken Gefühlen verknüpft: Nicht nur Stress, sondern alte Prägungen, nicht gelebte Emotionen, die an die Oberfläche drängen. Etwas, das „auf den Magen schlägt“, „vor dem man Schiss hat“, „was schmerzt“. Das Wissen im Volksmund hierüber ist alt.


Die gute Nachricht ist: Psychotherapie kann helfen, sich selbst zu verstehen und innerlich halten zu lernen – den eigenen Takt wiederzufinden, Sympathikus und Parasympathikus in ein gesundes Gleichgewicht zu bringen.


Manchmal ist die Intuition darüber, was wir brauchen, einfach verschüttet – verloren gegangen ist sie nie. Ich bin überzeugt, dass jeder Mensch intuitiv weiß, was ihm guttut. Nur manchmal fehlt der Glaube an die eigene Intuition, das Vertrauen in sich selbst. Doch wie lässt sich dieses Gleichgewicht im Alltag wiederfinden? Ich möchte drei wesentliche Punkte nennen:



1. Dem Körper rechtzeitig zuhören


Unruhe, Spannung, Müdigkeit, Reizbarkeit – all das sind frühe Botschaften. Die früheste Botschaft jedoch ist unser Atem – der treueste Freund des Menschen. Er zeigt uns oft unmittelbar, wie es uns eigentlich geht. Und umgekehrt können wir über unseren Atem direkten Einfluss auf unser Nervensystem nehmen. Kleine Pausen, bewusster Atem, ein Spaziergang ohne Ziel – das sind keine Schwächen, sondern Formen von Selbstführung.


Konkret: Achten Sie auf die leisen Signale – ein verspannter Kiefer, ein flacher Atem, ein plötzliches Herzklopfen. Wenn Sie so etwas bemerken, halten Sie für eine Minute inne. Schließen Sie kurz die Augen, legen Sie eine Hand auf den Brustkorb und atmen Sie drei Mal tief aus – länger als ein. Das klingt banal, aber genau in diesem Moment beginnt Ihr Nervensystem umzuschalten.

Machen Sie daraus ein kleines Ritual: jedes Mal, wenn Sie den Autoschlüssel nehmen, den Laptop schließen oder ins Haus treten.



2. Das Nervensystem pendeln lassen


Leben ist kein Dauerzustand von Ruhe oder Aktivität, sondern ein rhythmisches Schwingen. Nach Phasen der Anspannung braucht es bewusst gesetzte Momente der Entladung: Musik, Bewegung, Stille, Körperkontakt, Natur. Wer beides zulässt – Aktivierung und Entspannung – findet einen echten inneren Takt.


Konkret kann das sein:


– Abends die Schultern ausschütteln, den Nacken kreisen

– Einen Spaziergang ohne Ziel machen und beim Gehen spüren, wie die Füße den Boden berühren

– Für fünf Minuten Musik hören und sich im Rhythmus bewegen

– Oder einfach das Fenster öffnen und einen tiefen Atemzug kalter Luft nehmen


Das Ziel ist nicht zu entspannen, sondern wieder Bewegung zwischen Spannung und Ruhe zuzulassen.



3. Sich selbst wieder glauben


Viele von uns haben verlernt, auf ihre innere Stimme zu hören, weil sie zu oft überstimmt wurde – von Erwartungen, von Angst, von Vernunft. Sich selbst wieder zu glauben, heißt, dieser leisen Stimme Raum zu geben: „Ich weiß, was mir guttut.“ Das ist kein Rückzug aus der Welt, sondern eine Rückkehr zu sich selbst.


Konkret: Nehmen Sie sich einmal am Tag bewusst wahr, bevor Sie reagieren. Wenn Sie spüren, dass etwas nicht stimmig ist – ein Gespräch, ein Tempo, ein „Ja“, das sich wie ein „Nein“ anfühlt – dann stoppen Sie kurz. Atmen Sie. Und sagen Sie innerlich: „Ich darf mir glauben.“ Das ist der Moment, in dem Selbstregulation beginnt – nicht durch Leistung, sondern durch Ehrlichkeit mit sich selbst.



Mein Spaziergang endet. Es werden weitere folgen. Vielleicht im Winter. Zu einer anderen Jahreszeit.


Und ich freue mich, Ihnen zu begegnen.



Herzlichst


Ihre Katharina Bergmann


ree

 
 
 

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